Geschichte des Hauses

EINE MÜHLE IST IM 21. JHDT. EIN ORT DER VERGANGENHEIT, EIN ORT MIT TRADITION, SEI ES ALS SCHLEIF-, SÄGE- ODER MAHLMÜHLE.

Unser Gästehaus KORNSPEICHER HIMMELPFORT ist Teil des Projektes Mühle Himmelpfort.

Der nachfolgende Text wurde vom Inhaber der Mühle Himmelpfort, Tilman Kunowski 2017 geschrieben und erzählt Einiges über die Geschichte des Hauses.


Jede Mühle sicherte für Jahrhunderte zentrale Infrastruktur der Siedlungen im ländlichen Raum, die Grundversorgung aus Erneuerbarer Energie, aus Wasser, in anderen Regionen aus Wind.

Die Mühle in Himmelpfort dürfte in ihren Ursprüngen annähernd so alt sein wie der Ort selbst. Bald nach der Gründung des Klosterstandorts Porta Coeli im Jahr 1299 begann auch in Himmelpfort die Geschichte der Wasserkraft – als Einnahmequelle für die Mönche.

Mühle

Mühlrad

Von Lychen im Osten schlängelt sich die Woblitz durch ein idyllisches Bett und teilt sich am Haussee in drei Arme: Das – brandenburgtypisch sogenannte – Mühlenfliess spielt dabei die entscheidende Rolle für die Regulierung der Wassermenge, die Richtung Stolpsee und Havel, 100 km bis Berlin, gut 250 km bis zur Elbe und weiter bis zur Nordsee fließt. Als Nebenarm der Havel ist das Mühlenfliess Bundeswasserstrasse – wohl eine der schmalsten: 4 m Bettbreite, ein knapper Kubikmeter Wasser/Sekunde und 1,4 m Gefälle.

Die Himmelpforter Mühle ist bis heute Standort eines Wehrs, eines mit zwei unabhängig voneinander zu steuernden Klappen ausgestattetes Quer-Bauwerks. Seit Jahrzehnten ist es für Fische unpassierbar. In Jahrzehnten hat die Natur hier ein Idyll geschaffen, das für Wasservögel Brut- und Futterplatz ist, im Winter die weithin einzige Stelle, die wg der Strömung nicht zufriert.

 

 

Mühle

Mühlenfließ

 

„KUNST IST SCHÖN, MACHT ABER VIEL ARBEIT.“ (KARL VALENTIN)

Baukultur erlebbar machen! Die Renovierung beginnt als Dekonstruktion: Kunststoffböden, Ausgleichsmassen, Gipsspachtel und Sauerkohlplatten, Ölfarbensockel und Raufasertapete, uniforme Fenster, betonierte Hofflächen. Verwendete Chemiestoffe haben kaschiert, nicht geschützt, und Zerstörungsprozesse beschleunigt.

Darunter liegt das Herz: Mauerwerk und Holzkonstruktionen, die Geschichten erzählen. Deshalb sollten es ja alte Gebäude sein!

Den alten Geschichten neue hinzufügen! Ja! Wir tauchen in jedem Raum in neue Dimensionen baulicher Kreativität ein:

 

Baukultur

Wand in einer Ferienwohnung

Die befreite Unregelmäßigkeit der alten Wände ist von einer Lebendigkeit, die eine neue Wand niemals auszustrahlen vermag: Stein auf Stein gemauert ist heute unfassbare Mühsal. Das zu restaurieren wirtschaftlicher Irrsinn. Aber von faszinierender Schönheit!

 urbane Paradigma der glänzende Fassade hat in dieser Mühle keinen Platz! Statt dessen wird die Stummheit abwaschbarer Oberflächen nach und nach erlöst. Wände werden wieder Kommunikationsflächen: Lehm, Naturstein und Holz tauschen sich mit der Umgebung aus. Öle und Quark erhalten die Diffusion, Naturpigmente ermöglichen einen traumhaft schönen Farbenreichtum. Und mit örtlichen Handwerkern, die uns eine Zeit begleiten wollen, begeben wir uns auf die Suche…

 

habe mich gegen Mühlennostalgie entschieden, will kein funktionsloses Stehhübsch für die Bewunderung betulicher Reisegruppen. Lieber soll die Mühle ihre Bewohner und Gäste anregen, aktiv zu sein, Neues zu entdecken, mit Händen, Kopf und Werkzeugen zu gestalten und das Vorgefundene weiterzuentwickeln. Und sich selbst neu entdecken: Ideen, Talente, Neigungen!

Bauen 2.0? 3.0? Bauen 4.0? Ein ganzes Haus aus dem 3-D-Drucker? And everything inside is smart?

Auch das eher nicht. Die Mühle als Ort gelebter Kreativität stelle ich mir anders vor: „Mühle“ suggeriert Handgreifliches, Erlebbares; es rumpelt, bröckelt, schimmert, schnuppert vielleicht. Bauen mit Lehm und Holz, mit Jute, Hanf, Wolle, Kork, Bambus whatever aktiviert die sinnliche Wahrnehmung, mutet auch archaisch an.

„DIE GERADE LINIE IST GOTTLOS UND UNMORALISCH“ (F. HUNDERTWASSER)

Sagte der, der bis heute beglückende Unikate menschengerechter Wohnhäuser gebaut hat.

Ein langer Weg, auch weil so wenig Wissen um die einfachen Materialien verfügbar ist. Wertschöpfungsketten sind bei den einfachen Dingen meist außer Betrieb. Damit fallen sie aus dem Raster der Gesellschaft bis ein Konzern die Lücke zu ihrer Patentierung findet. Vorläufig geniessen wir die riesigen Spielräume für eigene Entdeckungen.

Beim Selberbauen fragt jedes Material und jede Technik nach dem Sinn Ihrer Anwendung: kein Tag vergeht ohne die Freude der Gestaltung irgendwelcher Details.

Potentiale

Craft und Kraft: Der Blick in die Vorläufer unserer Sprache bezeugt Verwandtschaft. Kraft wurde im neueren Deutsch zur Muskelkraft, später sogar Abstraktum, Craft im Englischen ist Anwendung, greifbar Reales geblieben – immer im Zusammenhang mit Handwerk. Also führen wir beides wieder zusammen: Das Craftwerk im Kraftwerk, Craftentfaltung – die Irritation ist beabsichtigt.

Heute ist Alles als Fertigmischung verfügbar, Kreativität ins Metier der App-Entwickler, Strategen und Architekten verbannt. Die Regeln der Moderne bestimmen Industrie- und Handelscluster, die über Lobbyarbeit ihre Produktmerkmale zur verbindlichen Vorschrift erheben. Die Wertschöpfung steigt mit jedem Zusammenschluss und jeder Etage im Hochhaus der Welt-Konzernleitung. Die globalisierte Welt kennt nurmehr, wenn sich den Algorithmen von Google&Co unterwirft.

Kein Wunder, dass heute jeder studieren und auch vor dem Rechner sitzen will. Und was können die urbanen Hände noch? Bastelstunde im Repair Cafe?

WOLLEN WIR NICHTS MEHR SCHAFFEN IN DER REALEN WELT?

  • TUN MIT HÄNDEN UND ERLEBEN MIT EIGENEN SINNEN?

  • SELBER HERSTELLEN?

  • ERFAHRUNGEN MACHEN. FEHLER MACHEN?

  • MITEINANDER TUN?

  • ERLEBEN, WIE ETWAS ENTSTEHT!

 

Die Mühle auf dem Land ist in dieser Konstellation Raum unfassbarer Möglichkeiten!

Zum Ausprobieren, zur Arbeit mit den Händen, zum gemeinsamen Tun braucht es Räume, Werkzeuge, Material. Das passt in die Mühle! Der Ort hat so lange Tradition, viel Handwerk erlebt. Es tut gut, ihn damit wieder zu beleben.

 

Tilman Kunowski im Herbst 2017

 

DIE GEBÄUDE UND DIE KRAFT DER ELEMENTE 

 

Gebäude

Illustration: Konrad Eyferth

 

 

Vier Gebäude auf dem Mühlengrundstück säumen das Bachufer: gewaltige Klötze, die Vorbeifahrende staunen machen. Die heutigen Umrisse stammen aus dem 18. und 19. Jhdt: Eigentümer und Nutzung wechselten nach Abschaffung des Mahlzwangs im 19. Jhdt. immer wieder, Gebäudeteile fielen den Flammen zum Opfer, es wurde um- oder neugebaut.

Die riesigen Nutzflächen der vier Häuser wurden in der DDR-Zeit als Kinder- und Ferienheim umgenutzt. Lange nach der Wende erst ließ das Interesse an Gruppenunterkünften nach, die Betreiber der Mühle wechselten in immer kürzeren Abständen, sodaß das Land Berlin die Immobilie schliesslich zum Verkauf stellte – lange erfolglos.

Jahre später im Frühsommer 2011: Zwei Menschen auf der Suche nach einem Ort der Entfaltung. Nach wenigen Schritten über das Grundstück leuchtet die Klarheit: Das Potential für ein Paradies ist da! Aber meine Güte, was sollen wir mit so vielen Flächen und Räumen?

Speicher, Mühle, Remise und Anbau: Vier Gebäude sind im Kern erhalten, jedoch so verändert, dass das Denkmalamt abgewunken hat: Die historische Substanz sei nicht mehr erkennbar und darum nicht schützenwert. Es dämmert erst später, welches Geschenk diese Absage ist.

WIR NEHMEN DIE HERAUSFORDERUNG AN UND VERLIEBEN UNS IN DIE GEBÄUDE.

Die Funktion als Mühle wurde wohl um 1920 endgültig aufgegeben, das Speichergebäude zur Unterkunft umgebaut und das Mühlengebäude zum E-Werk, wie das Haus heute noch im Volksmund heisst. Bis in die 50er Jahre versorgte ein Gleichstromgenerator im Turbinenhaus das Dorf mit Elektrizität. Dann wurde die Technik zurückgebaut, das Wehr blieb stehen.

WASSERKRAFT

Heute daran anknüpfen? 15 KW Leistung aus Wassermenge und Gefälle generieren? Das Grüne Herz ist hin- und hergerissen: Die „kleine“ Wasserkraft wird oft geächtet, das WSA beschied uns „es lohnt sich nicht“. Ist die Nutzung der Wasserkraft eine Gefahr für die Gewässerfauna? Jedenfalls ist sie keine Existenzgrundlage!

Laut Beschluss der EU aus dem Jahr 2005 sollen alle Fischarten die Wehre wieder passieren können. Ein Neubau des Himmelpforter Wehrs ist in Planung, kommt aber als phantasielose technoide Reissbrettkonstruktion daher und setzt den Charme und die Natürlichkeit des heutigen Bachlaufs gnadenlos aufs Spiel.

Geht Wasserbau heute nicht auch als touristische Bereicherung?